Friedrich Beneschs nationalsozialistische Vergangenheit

Friedrich Benesch (1907-1991) hat in der Christengemeinschaft eine bedeutende Rolle gespielt – als langjähriger Leiter des Stuttgarter Priesterseminars und als weltweit gesuchter Vortragsredner. Bevor er 1947 zum Priester geweiht wurde, hat er sich als evangelischer Pastor in Siebenbürgen als begeisterter Nationalsozialist betätigt.

Vor einer eventuellen Priesterweihe hat jeder Kandidat den Pfarrern der Christengemeinschaft sein bisheriges Leben zu schildern. In Beneschs Lebenslauf steht von seiner politisch exponierten Tätigkeit nichts. Ob er dem damaligen Leiter der Christengemeinschaft, Emil Bock, unter dem Siegel der Vertraulichkeit davon berichtet hat, ist nicht überliefert; mit Sicherheit aber nicht so vollständig und wahrheitsgetreu, dass z. B. sein mehrfacher Versuch, in die SS aufgenommen zu werden, bekannt geworden wäre.

Zum 100. Geburtstag Beneschs hat sich Hans-Werner Schroeder der Aufgabe unterzogen, in einer ausführlichen Biographie auch die Brüche in Beneschs Leben zu schildern, die um so schärfer hervortreten, als Beneschs eigene – spärliche – Berichte offensichtliche Widersprüche enthalten. Schroeders Biographie versucht, hier möglichst viel Klarheit zu schaffen; aber Fehlstellen und Rätsel bleiben.

Benesch – dem auch in späteren Jahren herrisches und zugleich unbeherrschtes Verhalten von mancher Seite vorgeworfen wurde – war sicherlich nach dem Kriege kein Neonazi. Aber dass er sich früher fanatisch und glühend zum Nationalsozialismus bekannt und dies später verborgen hat, stellt die Leitung der Christengemeinschaft vor Fragen, die wohl nach seinem Tode nicht mehr gelöst werden können.

Die Christengemeinschaft will in ihren Gemeinden keine politische Agitation dulden. Sie hat sich stets für die Gleichbehandlung und gleiche Wertschätzung aller Menschen eingesetzt. Nationalismus und Rassismus haben in ihr keinen Platz. Dies gehört zu den Gründen für die Unterdrückung, die sie von 1934 an in Deutschland erfuhr, und die 1941 in dem Verbot und der Inhaftierung ihrer Mitarbeiter gipfelte. Auch die Juden wurden – in klarer Einschätzung des Risikos – nicht von den Altären verwiesen.

Die Aufarbeitung einer Biographie hat nichts damit zu tun, über einen irrenden Menschen zu Gericht zu sitzen. Aber die Leitung der Christengemeinschaft betrachtet es zumindest als Missgeschick, dass ein Mitarbeiter in ihren Kreis aufgenommen wurde, bevor die Leitung und die Priesterschaft wissen konnten, welche persönliche Vergangenheit er mitbrachte.

Hannover, 3. Januar 2009
Frank Hörtreiter
Öffentlichkeitsbeauftragter der Christengemeinschaft